Museum Mödling

Hyrtlbibliothek

Hyrtlbibliothek – Hyrtlarchiv – Hyrtlforschung

Eine eigenständige Sammlung stellt die historisch-medizinische Privatbibliothek des berühmten Anatomen Professor Dr. Joseph Hyrtl (1810–1894) dar. In einem schönen Raum im 1. Stock des Thonetschlössl mit einem kunstvoll gearbeiteten Intarsien-Fußboden werden die Bibliothek und das Lebenswerk des Anatomen Hyrtl gezeigt. Die Bibliothek umspannt den Zeitraum vom Ende des 15. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die ältesten Werke stammen aus einer Zeit kurz nach Erfindung des Buchdruckes. Viele der hauptsächlich anatomischen Werke sind aus wissenschaftlicher und künstlerischer Sicht seltene Kleinodien. Die hohe medizinische Wissenschaft bediente sich für die Herausgabe solcher Prachtwerke schon immer der besten Künstler und Kupferstecher, sodass jede einzelne Seite eine echte Kostbarkeit darstellt.

Joseph Hyrtl, der 1810 in Eisenstadt geboren worden war, rückte nach seinem Medizinstudium rasch an die Spitze der anatomischen Wissenschaft. Als überaus beliebter Lehrer an der Prager und Wiener Universität und als mitreißender Redner faszinierte er die Studenten. Durch seine zahlreichen Publikationen und seine medizintechnischen Entwicklungen wurde er weltbekannt. Hyrtl war der erste, der die Bedeutung des Faches Anatomie für die medizinische Praxis erkannte und dieses mit der Chirurgie verband. Eigene sensationelle operative Eingriffe, wie etwa zur Beseitigung des Schielens, waren die Folge. Sein "Lehrbuch der Anatomie des Menschen, mit Rücksicht auf physiologische Begründung und praktische Anwendung" wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und stellte mit zwanzig Auflagen (1847–1888) ein Standardwerk des Faches Anatomie in der ganzen Welt dar. Seine exzellenten makroskopischen und mikroskopischen Präparate menschlicher oder tierischer Organe und Gewebe, die auf verschiedenen Weltausstellungen gezeigt und in alle Welt verkauft wurden, machten ihn zu einer Berühmtheit. Eine Spezialität Hyrtls waren sogenannte Korrosionspräparate. Bei ihnen wurden in die Gefäße oder Hohlräume eine aushärtende, gefärbte Masse eingespritzt, und nach dem Härten der Füllung das organische Gewebe weggeätzt. Die fertigen Präparate zeigen eine Ansicht der inneren Hohlraumstruktur, die sonst nicht in ihrer Gesamtheit erkennbar ist. Einige dieser Präparate sind in der Hyrtl- Bibliothek ausgestellt; sie stellen in unserem Land ausgesprochene Raritäten dar.

Joseph Hyrtl:

Korrosionspräparat

einer menschlichen

Niere,

Joseph Hyrtl: Mikroskopisches Präparat der Gefäßknäuelchen (Glomeruli) in der Niere

Aus der Privatbibliothek des Anatomen Joseph Hyrtl (1810-1894)

Gezeigt werden auch nach ähnlichem Verfahren hergestellte mikroskopische Präparate, die aus den Sammlungen des anatomischen Institutes der Universität Graz stammen und dessen ehemaligem Vorstand Univ. Prof. Dr. Walter Thiel zu verdanken sind. Sie sind besonders faszinierende Leistungen des Anatomen, da sie die kleinsten Strukturen perfekt darstellen, beispielsweise die unsagbar dünnen Blutgefäße in den Gefäßknäueln (Glomeruli) der Niere. Mit solchen Präparaten konnte Hyrtl auch zur Klärung physiologischer Fragen – etwa der Harnbereitung – beitragen. Der große wissenschaftliche und wirtschaftliche Erfolg bescherte dem Anatomen ein beträchtliches Vermögen, welches er mangels eigener Nachkommen zum Teil noch zu Lebzeiten sozialen Zwecken zur Verfügung stellte. Vor allem ist hier das Hyrtlsche Waisenhaus in Mödling zu nennen, welches vom ausklingenden 19. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert unzähligen Waisenkindern ein Zuhause geben konnte und junge Menschen durch hervorragende Ausbildung auf das Leben vorbereitete. Die Ausstellung zeigt die Gründung (1885/86) und Entwicklung dieser vorbildlichen Einrichtung (bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts); für den gelegentlichen Gast des Hauses gewährt diese Schau jedoch einen Einblick in den Mechanismus früherer Sozialsysteme, in denen Adelige und wohlhabende Bürger die soziale Absicherung nach dem Prinzip der Almosenverteilung abwickelten. In dem Ausstellungsraum wird auch auf die Freundschaft des Anatomen zu dem Mödlinger Bürgermeister Joseph Schöffel eingegangen, die durch das Geschenk eines pathologischen Totenschädels mit verwachsenen Ober- und Unterkiefern aus dem Mödlinger Karner eingeleitet worden war. Schöffel widmete übrigens seinen Lebensabend ganz dem Waisenhaus.

MR. Dr. Rudolf-Josef Gasser †, Professor für Geschichte der Medizin an der Universität Innsbruck. Er hat 1983 die Hyrtl-Bibliothek im Museum der Stadt Mödling aufgefunden, ihre Bedeutung erkannt und nach fast 100 Jahren einer wissenschaftlichen Benutzung zugänglich gemacht. Kontakte in alle Welt zeigen, dass von den großartigen Präparaten Hyrtls, die in Österreich fast alle durch Kriegsereignisse zugrunde gegangen sind, sich im Ausland – vor allem in den USA – noch viele erhalten haben und als außerordentliche Schätze gehütet werden.

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Einige Werke der Hyrtl-Bibliothek im Museum Mödling wurden Seite für Seite fotografiert und ins Netz gestellt:

http://commons.wikimedia.org/ wiki/Category:Hyrtl-Bibliothek_Mödling


Mozartschädel – Kurioses um den Totenschädel von Mozart

Wolfgang Amadeus MozartGroße Musiker in ihrer Beziehung zu Mödling Wenn man sich mit den mysteriösen Umständen beschäftigt, die sich um den Verbleib vom Schädel Mozarts ranken, kommt man an der Person des berühmten Anatomen Joseph Hyrtl nicht vorbei. Damit untrennbar verbunden ist in Bezug auf seine Forschungen und Veröffentlichungen das Mödlinger Museum mit seiner Hyrtlbibliothek. Ausgestellt sind prächtige Folianten aus dem 15 bis 19. Jahrhundert mit ihren sowohl künstlerischen als auch wissenschaftlich hervorragenden anatomischen Darstellungen. Auch von Hyrtl verfasste Bücher, anatomische Schriften und wertvolle Exponate aus der weltweit berühmten Sammlung der Korrosionspräparate werden ausgestellt. Das Mödlinger Museum sorgte für die Restaurierung der wertvollen Bibliothek und veranstaltete gemeinsam mit dem Hyrtl-Museum Perchtoldsdorf Ausstellungen und Symposien in den Jahren 1991 und 2000. Durch renommierte Vortragende konnte die Aufmerksamkeit in ganz Europa erregt werden. Das Symposium 1991 stand unter der Leitung des leider verstorbenen MR Dr. Rudolf-Josef Gasser und Mag. Peter Karanitsch.

Mit der Stadt Mödling ist Joseph Hyrtl nicht nur durch seine Stiftung zur Gründung des Waisenhauses verbunden, sondern auch durch seine Freundschaft mit dem Mödlinger Bürgermeister Joseph Schöffel. Ein großer Teil des Nachlasses von Hyrtl fand sich nach seinem Tod im Waisenhaus in Mödling, darunter auch der vermutliche Schädel Mozarts. Im Hyrtlschen Testament war allerdings keine Verfügung für den weiteren Verbleib des Schädels zu finden. Wie in den Mödlinger Zeitungen der Jahre 1901 und 1902 nachzulesen ist, forderte die Stadt Salzburg nach dem Tod von Joseph Hyrtl am 17. Juli 1894 die Herausgabe des Schädels, dieser war aber verschwunden. Erst 7 Jahre später, im Jahre 1901, wurde dieser in dem von Hyrtl gestifteten Waisenhaus in Mödling gefunden.

Es entstand nun ein Rechtsstreit über das Besitzrecht. Hyrtl wollte, dass der Schädel nach seinem Tod an die Geburtsstadt Salzburg gehen sollte. Er verfügte dies handschriftlich auf einem Zettel. Erst nachdem dieses Dokument gefunden worden war, konnte der Streit im Oktober 1901 beendet werden. Der vermutliche Schädel Mozarts befindet sich seither in der Stadt Salzburg.

In den Berichten der Mödlinger Zeitungen rund um den Besitzstreit des Schädels kann man die ungewöhnlichen Umstände, wie Hyrtl zu dem Schädel gekommen war, nachlesen.

Wahrheit oder Mystifikation?

Am 6. Dezember 1791 wurden Mozarts sterblichen Überreste am St. Marxer Friedhof in Wien beigesetzt. Der Totengräber Josef Rothmayr bestattete den in Armut verstorbenen Mozart in einem Schachtgrab. Den Schädel hatte er mit einem Stück Draht gekennzeichnet. 1801 wurde das Grab neu belegt. Der Totengräber nahm den Schädel samt Unterkiefer aus dem vermorschten Sarg und bewahrte diesen als Reliquie auf.

Von seinem Nachfolger erhielt der Kupferstecher Jakobus Hyrtl, ein Bruder des Anatomen Hyrtl und großer Verehrer der Musik Mozarts, den Schädel. Nach dessen Tod, Anfang 1879, ging die Reliquie in den Besitz von Hyrtl über. Er präparierte und untersuchte den Schädel und erstellte eine Expertise.

Aufgrund seiner Untersuchungen und Vergleiche mit Bildern Mozarts, „des großen Gehörganges und der Schädelform", kam er zum Schluss, dass es sich seiner Meinung nach um den Schädel Mozarts handelt. Das Ergebnis seiner Untersuchung vermerkte Hyrtl in Schlagworten und seiner Unterschrift mit Tinte auf der Schädeldecke. Hyrtl dürfte auch die Totenmaske gekannt haben, denn in einem Bericht aus 1875 stellte er fest, dass diese dem Schädel Mozarts vollständig entspräche.

Anlässlich des Internationalen Symposiums 1991 hat sich Univ.-Prof. Dr. Gottfried Tichy, Institut der Geowissenschaften der Universität Salzburg, eingehend mit dem Thema .“Der Schädel von W. A. Mozart eine Mystifikation" beschäftigt. Wie Tichy ausführte, kommt man eher zum Schluss, dass der Schädel, den Hyrtl seinerzeit besaß, ausgetauscht worden war, unter anderem war die Zahl der Zähne eine andere als bei Frankl beschrieben. Der Arzt und Schriftsteller Dr. Ludwig August Frankl hatte nach Untersuchung des Totenschädels im Jahr 1892 ein Manuskript mit dem Titel „Mozarts Schädel ist gefunden" verfasst. Hyrtl hatte die Richtigkeit des Manuskriptes bestätigt. Darin war die Anzahl der Zähne mit sieben angegeben – der Salzburger Schädel weist jedoch 11 Zähne im Oberkiefer auf. Andererseits ergab die Darstellung Frankls eine große Übereinstimmung mit dem Salzburger Schädel. Der “naturwissenschaftlichen Beweisführung" stand damit die „historische" entgegen.

Gottfried Tichy hatte sich 1986 selbst mit der Untersuchung des Salzburger Schädels beschäftigt. Diese erbrachten keinen Ausschließungsgrund, dass es sich nicht um den Schädel von Mozart handeln könnte. Im Jahre 1987 wurden die ersten Untersuchungsergebnisse am Internationalen Kongress für forensische Medizin in Vancouver vorgestellt, unter anderem auch die Rekonstruktion der Weichteile.

Dr. Herbert Kritscher, Naturhistorisches Museum Wien, ebenfalls Referent beim Symposium 1991, dokumentiert in seiner wissenschaftlichen Arbeit, dass der Vergleich der Weichteilrekonstruktion mit den zur Verfügung stehenden Mozartportraits eine hochgradige Identität mit dem Schädel Mozarts ergeben hat. Hyrtl hatte zu Studien- und Vergleichszwecken eine umfangreiche Schädelsammlung (ca. 140 Stück), die er zum Teil im Jahre 1874 an die Universität Philadelphia verkaufte. Die Exponate befinden sich heute im „Mütter Museum of the College of Physicians of Philadelphia". Möglicherweise wurde damals auch über einen Verkauf des Mozartschädels verhandelt.

Das Studium der Biografie Hyrtls zeigt, dass es nicht in das Bild des hervorragenden Wissenschaftlers und ehemaligen Rektors der Universität Wien passt, die Welt wissentlich mit einem nicht authentischen Schädel Mozarts zu narren. Der seriöse und international für seine Arbeiten berühmte Anatom hatte anscheinend keinen Zweifel an der Echtheit der Reliquie.

Eine DNA Untersuchung, durchgeführt von Wissenschaftlern aus den USA und Österreich, löste enormes internationales Interesse aus. Die Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg stellte den Schädel und eine Haarlocke zur Verfügung. Am Salzburger Friedhof St. Sebastian wurden Skeletteile aus einem Grab entnommen, in dem die Großmutter Mozarts und seine Nichte begraben wurden. Leider konnte auch diese chemische Analyse keinen Beweis für die Echtheit des Schädels erbringen. Mythen und Legenden, Unklarheiten, Irrtümer und journalistische Ausschmückungen erschweren weiterhin die Wahrheitsfindung.

Quellen:

Mödlinger Zeitung, Nr. 42 vom 19. Oktober 1901
Mödlinger Zeitung, Nr. 5 vom 1. Februar 1902
Mödlinger Zeitung, Nr. 17 vom 17. August 1946
Katalog „!Der Anatom Joseph Hyrtl 1810–1894“ zur Eröffnung des Hyrtl Symposiums 1991 und der Sonderausstellungen der Hyrtl Bibliothek Mödling
„Mozart – Wolferls Kopf und Nannerls Gebeine” von Reinhard Ott, erschienen in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16.11.2004, Nr. 268 Seite 9
„Von Gestern und Ehegestern”. Gesammelte Aufsätze aus Mödlings Vergangenheit und Gegenwart von Robert Eder
Mozart - Eine Spurensuche ORF-Dokumentation.

Christiane Heger